Mittwoch, 26. Juli 2017

#2 Ich bin nur irgendwer

Das bin ich. 29 und ein Niemand. Ich habe bisher nichts erreicht in meinem Leben. Nichts, was etwas wert ist. Nichts, worauf jemand stolz sein könnte. Das heißt, alles, was ich bisher mit meinem Leben angestellt habe, bedeutet mir nichts. Es fühlt sich verschwendet an.




Ich fühle mich verschwendet an. Wozu habe ich diese Zeit hier auf der Welt verbracht? Wozu bin ich zur Schule gegangen, habe Studien und Ausbildungen absolviert, wozu gelernt und gearbeitet - wozu gelebt? Ich weiß es nicht.
Wusste ich es mal? Ich bin nicht mehr sicher. Ich kann mich nicht erinnern. Nicht mehr vielleicht. Ich verschwende mich und meine Zeit. Mit jedem Tag. Den ich nichts getan habe, auf das ich stolz sein will.

Klare Gedanken fallen mir schwer. Es ist, als sei der Draht zwischen meinem Verstand und dem Rest gerissen. Ich will etwas vernünftiges denken, doch ich kann nicht. Die Tür ist zu, verschlossen. Und ich habe keinen Schlüssel mehr.
Es ist wie das berühmte Gurkenglas. Ich bin zu schwach um den Deckel zu öffnen. Klopfen hilft da auch nicht. Und das Glas fühlt sich leer an, wozu es also überhaupt auf bekommen wollen?

Habe ich es eigentlich verdient, auf dieser Welt zu sein? Immerhin fühle ich mich so nutzlos, fehl am Platz und ausgeschlossen von allem. Wie sich mein Leben entwickelt hat, ist im Grunde ein gewundener Pfad von Irrwegen, die nie zu einem erstrebenswerten Ziel geführt haben. Der weitere Weg liegt in der Dunkelheit vor mir, doch ich weiß, dass es sich nicht ändern wird. Überhaupt, kann ich irgendetwas ändern? Kann ich mich ändern? Ich habe keine Kraft für das Gurkenglas, wie dann für etwas Großes wie Veränderung? Und wer sagt, dass sich etwas ändert, wenn ich mich ändere? Alles nur leeres Gespinst. Wo ist der Sinn in alldem?

Ich habe keine Freunde. Mehr, denn früher hatte ich welche. Gute, die mich kannten. Heute kenne ich mich selbst nicht mehr. Bei allen läuft es, nur bei mir nicht. Ich bin nicht gut. Ich reiche nicht, weder für mich noch für meine Freundschaften. Ich lasse sie versiegen wie einen Bach, der immer weniger Wasser führt. Ich sehe keine Quelle, keine Mündung. Ich verliere alles im unendlichen Sand einer Wüste, in der alle Dünen gleich aussehen.

Ich bin Pessimist - ich nenne mich Realist. Denn meine Realität ist schlecht. Das versteht keiner, mich versteht keiner. Ich mache mich manchmal selbst traurig, weil mein Gedächtnis mich an alles erinnert, was ich nicht haben kann oder früher einmal hatte. Ich komme weder zurück noch vorwärts. Ich stecke in einer Parklücke für einen Smart mit einem dicken Mercedes - und ich habe nicht mal einen Führerschein.

Ich liege manchmal auf dem Fußboden, weil ich glaube, kein weiches Bett zu verdienen. Ich denke manchmal über den Tod nach. Ich frage mich manchmal, wie es wäre, wenn ich eine unheilbare Krankheit hätte. Ich zweifle immer an mir. Ich definiere mich über die Leistungen anderer - vergleiche mich immer nach oben - und verliere dabei.

Ich bin ein kleiner, dünner Schössling am Fuße eines großen Baumes, mein Stamm höchstens streichholzstark. Ich stehe im Schatten, bekomme wenig Licht und Wasser. Um mich herum wachsen viele größere Schösslinge, deren Blätter grüner und deren kleine Kronen ausladender sind als meine. Ich habe mich oft gereckt und gestreckt um zu wachsen, doch meine Kraft reicht nicht mehr aus. Mir stellt sich nur noch die Frage, ob ich mich kümmerlich hier unten halten kann oder irgendwann kläglich eingehe. Wachsen ist ein Kampf. Ich will nicht mehr kämpfen.

Ich will ankommen, zufrieden sein, ein Leben haben. Ich möchte Freunde, die mich sehen. Ich möchte Liebe und Verständnis. Ich möchte genommen werden wie ich bin. Ohne viele Fragen, deren Beantwortung nicht das bringt, was sich die Frager erhoffen. Ein einfaches "Okay, dann ist es so.".
Ich möchte keine Ratschläge, um die ich nicht bitte. Ich möchte keine Meinung und Einschätzung und kein Halbwissen. Ich möchte hier und jetzt Ich sein dürfen ohne rollende Augen, mitleidige Blicke und verständnisvolles Lächeln. Oder wenigstens ein Egal. Ein Vorbeigehen, ein Ignorieren.
Ich habe einen Rollstuhl, den keiner sieht. Ein unsichtbar gebrochenes Bein, imaginäre Krücken. Und dennoch bin ich ein echter Mensch. Ich bin nur irgendwer, doch immer noch ein ganzer, echter Mensch. Trotz allem: bitte behandelt mich auch so.


Das ist mein Statement zu meiner Diagnose. Das fühle ich, das erträume ich, das möchte ich.

Ich danke euch für´s Lesen. Vielleicht macht es euch Mut, vielleicht macht es euch genug Mut. Ich möchte hier und jetzt etwas verändern und wünsche mir eure Teilnahme.
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Herzensgrüße
EUre kaLi

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